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Sonderprogramm: ERUPCIÓN – MEXIKANISCHES KINO

MIDNIGHT FAMILY
Luke Lorentzen,  2019, Mexiko, 80ˈ, OmeU

Blaues und rotes Licht, ein rasendes Fahrzeug und der schmale Grat zwischen Leben und Tod. Ein Setting, welches sonst in Actionreichen Verfolgungsjagten zutage tritt, bildet in Midnight Family den Rahmen eines Familienportraits. Auf eine Bevölkerung von neun Millionen Menschen kommen im Stadtkern von Mexico City 45 Krankenwagen. Durch Lücken wie diese, entsteht im gesundheitlichen Versorgungssektor eins von vielen informellen Berufsfeldern – privat organisierte Krankenwägen. In einem davon fährt die Familie Ochoa durch die Nächte und gerät somit in ethische Konflikte, die dieser prekäre Beruf inkludiert.

WANN: 20.10.2019 – 19:00
WO: Schaubühne Lindenfels 


Trailer


RESURRECCIÓN
Eugenio Polgovsky, 2016, Mexiko, 93ˈ, OmeU

Auf die Frage, was er über den Fluss denkt, antwortet ein Junge im Film nur: „Hast du ihn dir mal angeschaut?“ „Die mexikanischen Niagarafälle“ wurden die Wasserfälle im Dorf El Salto in Jalisco vor langer Zeit betitelt. Doch nach 40 Jahren Umweltverschmutzung durch die Chemikalien der ansässigen Fabriken erinnern nur noch ausgeblichene Fotos, staubige Videokassetten und die Erzählungen der Dorfbewohner an diesen Begriff. Der 2017 verstorbene Eugenio Polgovsky beschwört in seinem letzten Film dieses verlorene Paradies und konstatiert den vergifteten Zustand sowie Bemühungen des Widerstands. Er verstand sich nicht als Reporter, der die Hintergründe analysiert, sondern vielmehr als Dokumentarist, der unser Hinsehen schult.

WANN: 18.10.2019 – 19:00 | 23.10.2019 – 20:00
WO: Mühlstraße

TEMPESTAD
Tatiana Huezo, Mexiko, 105ˈ, OmeU

Die Stimme einer Mutter, die am Flughafen Arbeit fand und aus dem Nichts zum Sündenbock der Gewaltverbrechen organisierter Kriminalität wurde. Die Stimme einer anderen Mutter, die ihre Tochter vermisst, weil sie verschwunden ist, schon viel zu lange. Die Bilder einer nebeligen Busreise vom mexikanischen Norden in den Süden mit diversen Vegetationszonen und Atmosphären. Im Kontrapunkt dazu Bilder einer Zirkusfamilie, die Fantasmen der Vitalität versprühen. Diese verschiedenen Bild- und Tonspuren des Films verdichten sich zu einem poetischen Kommentar über den Zustand eines Landes mitten im Jahrelangen Dunst vom Klima der Gewalt.

WANN: 25.10.2019 – 20:00
WO: Cineding

EL PESO DE LOS CAÍDOS
Gastón Andrade Juárez, 2018, Mexiko, 30ˈ, OmeU

1968. Proteste. D.F. Tlatelolco. Desaparecidos. All diese Schlagworte / Schlagziffern sind verbunden mit unzähligen visuellen Assoziationen. Der Film versucht diese Flut an Bildern zu fassen und findet in einem Schwarz-Weiß-Abzug von einem Menschenmeer einen sehr persönlichen Zugang zu diesem zweiten Oktober. Das unscharfe Gesicht einer Mutter und der Brief ihres Sohnes aus dem Off. Zwischendrin die berühmten, fragenden Zeilen der Dichterin Rosario Castellanos zu der Nacht von Tlatelolco. Doch diese gefundenen Narrative werden immer wieder durchbrochen, die Bilder zersetzen sich. Der ruhende Blick auf dem Gesicht der Mutter rast auf einmal über die verworrenen Grauabstufungen der anderen Schwarz-Weiß-Fotografien und bleibt an den Panzern haften.

WANN: 22.10.2019 – 21:15
WO: Mühlstraße

CUANDO CIERRO LOS OJOS
Sergio Blanco Martín/Michelle Ibaven, 2019, Mexiko, 63ˈ, OmeU

Neun Jahre lang saß Adela zu Unrecht im Gefängnis. Ihre Erzählung wurde ignoriert, denn sie beherrscht kein Spanisch, sondern spricht Mazateco – eine der diversen indigenen Sprachen Mexikos. Marcelino, der Mixteco spricht, erhielt eine Haftstrafe von 30 Jahren, auch ihm wurde keine Person zur Übersetzung bereitgestellt. In diesem Film kommen sie zu Wort. Ihre Perspektive, ihre Erinnerungen und Empfindungen suchen Resonanz in einer audiovisuellen Collage. Die Bildebene verwebt sich dabei nur Momenthaft und assoziativ mit dem Erzählten, um für einen Wimpernschlag die Isolation aufzuheben.

WANN: 24.10.2019 – 19:00
WO: Schaubühne Lindenfels


Juan Perros | 2016 | Rodrigo Ímaz | 34min

Die selbstgewählte Familie von Juan Perros sind ein paar Hunde und eine Schweinemutter mit ihren Ferkeln. Mit seinen Tieren lebt er zwischen Bergen, Müllresten und einem blauen See. Seine abseitige Existenz wird weder romantisierend verklärt noch miserabilistisch entblößt. Es ist ein solidarischer Blick auf einen Mann, für den die Gesellschaft keinen Platz vorgesehen hat. Vorsichtig nähert sich der Film den Gründen für diese radikale Abkehr.

WANN: 22.10.2019 – 19:00
WO: Mühlstraße


Un Juego | 2016 | Santiago Celorio | 11min

Zwei Pubertierende Brüder am Abend in ihrem geteilten Kinderzimmer. Sie hantieren mit tradierten Rollenbildern, spielen mit diesen herum bis sie ins Wanken geraten, ihnen entgleiten und letztendlich zu Boden fallen. Mit einem Mal wirken die gesellschaftlichen Kräfte, die diese Rollenbilder so lange stützten, auf die Jungen ein.

WANN: 20.10.2019 – 19:00 | 23.10.2019 – 21:00
WO: Prager Frühling


Microcastillo | 2016 | Alejandra Villalba | 22min

Für die religiöse Gemeinde gelten sie als eine vorbildliche Familie. Ihr abgefilmter Alltag wird unter den Glaubensgeschwistern gefeiert, doch sie scheinen gefangen in einer düsteren Inszenierung. Die geistige Immobilität des religiös durchdrungenen Alltags korrespondiert mit der sich dehnenden Spannung des Suspense.

WANN: 22.10.2019 – 19:00
WO: Mühlstraße


¿Me vas a gritar? | 2019 | Laura Herrero Garvín | 11min

Melissas Alltag wird grundiert vom allgegenwärtigen Machismo. Ob aus den dunklen Straßenecken, im grell ausgeleuchteten Trainingsstudio, oder zwischen der diffusen Kulisse des Marktes, überall dringen die Sexismen verschieden nuanciert aus dem Rücken und von der Seite auf sie ein. Noch deutlicher gestaltet sich diese Konstellation während ihrer Lucha-Libre-Kämpfe, wo das unverfrorene Gebrüll des Publikums zur Inszenierung des Sports dazugehört. Doch die gespannten Seile des Rings konturieren einem Raum, in dem sie sich ermächtigt.

WANN: 25.10.2019 – 18:00 | 26.10.2019 – 20:00
WO: Cineding


El valiente ve la muerte solo una vez | 2019 | Diego Enrique Osorno | 30min

Solo el Valiente ist der mexikanische Titel für Douglas Gordons Western Bis zum letzten Atemzug (1951). Knapp 60 Jahre nach dem Film geistert eine ähnlich kühne Heldenerzählung durch die mexikanischen Medien. Anhand alter Video-Aufnahmen dechiffriert Diego Enrique Osorno diese Geschichte zu einem Anti-Western. Er erzählt vom Stolz eines Mannes – seiner Familie, seiner Ranch, der Natur und den Tieren. Die vom Protagonisten selbst gefilmten Bilder lassen uns erahnen, was ihn zu seiner vermeintlichen Heldentat bewegte, deren Moral eine Illusion bleibt.

WANN: 24.10.2019 – 19:00
WO: Schaubühne Lindenfels